Previous Page  12 / 40 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 12 / 40 Next Page
Page Background

12

als Fixpunkt des lebens, die vereins- und alltagsgeschichte

verbinden. und es ist die Kraft ihres Spiels, die dem Stück

seine eigentümliche Wucht verleiht. „Wirkliche Fans spielen

also Theater. mit anderen Worten: das muss schiefgehen. Tut

es aber nicht“, schreibt Theaterkritiker cornelius pollmer in

der Süddeutschen zeitung überrascht.

mehrfach wiederauferstanden, gerät der club zuletzt ausge-

rechnet durch einige seiner treuen anhänger in die Schlag-

zeilen. Spielabbrüche, geldstrafen und der ausschluss aus

dem dFb-pokal folgen. veit pätzug, autor der Fan-Trilogie

„Schwarzer hals, gelbe zähne“, analysiert die Seele des

dresdner anhängers so: „bis heute existiert bei vielen Fans

das gefühl, etwas besseres zu sein und etwas besseres

verdient zu haben.“ gleichzeitig sei das dresdner publikum

„aber auch extrem solidarisch mit seiner radikalen minder-

heit. das ist in meinen augen eine parallele zur Stadt und

zu ganz Sachsen.“

und weil Fußball das leben ist, verbirgt die inszenierung

diese hässliche Fratze der mit viel empathie gezeichneten

Fanszene nicht. darin waren sich die Theaterleute im vor-

feld schnell einig mit dem verein. „Wir wollen vor allem,

dass alles authentisch ist. die geschichten sollen echt sein,

selbst wenn uns im einzelfall mal nicht gefällt, was berichtet

wird“, erklärt dynamo-geschäftsführer robert Schäfer vor

der premiere in der dresdner morgenpost.

und so ist alles da: die pöbeleien der 90er-Jahre gegen yebo-

ah und co., die gewalttätigen ost-derbies in erfurt, aue und

anderswo, und die aktuellen probleme. in einer gespensti-

schen Szene wird aus den eben noch leidenschaftlichen „dy-

naaamo, dynaaamo!“ skandierenden Fans ein grölender mob.

„blut! blut!“ und „berlin, Juden berlin!“ heißen die parolen

und schon bald schleudert die gruppe als pegida-marschierer

dem rest des landes ihre menschenverachtenden montags-

parolen entgegen: „Wir sind es, die das abendland vertei-

digen. Wir schützen die heimat vor der islamisierung!“ ein

zerrspiegel tief verwurzelter ängste und verletzungen einer

sich als historisches opfer empfindenden generation: „Wir

sind das letzte pack! der asoziale rest. Sie haben euch ein

bild gemacht von uns. Wir sind das, was ihr uns zuschreibt.“

die Totenstille des publikums wird erst aufgebrochen, als

ein junger hooligan die Szene mit dem zertrümmern eines

Scheinwerfers beendet. aber noch später, nach minuten-

langen ovationen des publikums, wenn man das „Kleine

haus“ verlassen hat, vorbei an der zettelübersäten pinn-

wand, und in der dunkelheit die benachbarten gründer-

zeitvillen passiert, spürt man diese bilder im Kopf weiter-

arbeiten. und das ist wahrscheinlich das beste, was man

über ein Theaterstück sagen kann.

Wirkliche Fans spielen

also Theater.

Mit anderen Worten:

Das muss schiefgehen.

Tut es aber nicht.

cornelius pollmer, Süddeutsche zeitung